Datum: 01. Januar 2019
Rückblickend war das Jahr 2018 für mich ein Jahr der Herausforderungen. Auf unterschiedlichen Wegen war ich unterwegs, mit verschiedenen Dingen im Prozess. Waren sie denn tatsächlich so verschieden? Ich glaube, nicht. Wenn ich den Fokus von dem Problem nehme und mich bemühe, das Größere, die Aufgabe darin zu erkennen, ergibt sich ein Bild. Es ist, als ob ich ein großes Puzzle vor mir sehe, viele verschiedene Teile, die nicht alle, nicht überall in einander passen und doch am Ende ein großes Ganzes ergeben.
Für mich ist es manchmal eine Herausforderung, einzelne Teile zu betrachten, wertzuschätzen, dem großen Bild hinzuzufügen. Das Thema Selbstliebe ist in vieler Munde. „Liebe dich selbst, erst dann kannst du andere lieben.“ Schon in der Bibel steht es geschrieben. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Diese Worte bekommen für mich eine tiefe Bedeutung. Ich fange an, auf einer tieferen Ebene zu begreifen, worum es hier gehen könnte. Mich selber zu lieben heißt für mich, die unterschiedlichen Strukturen meines Selbst zu durchdringen. Zu erleben, wie ich bin, mit all meinen Fassetten. Oder eben auch, wie ich nicht bin – auch wenn ich gerne so wäre. Es bedeutet, mich ohne den Filter der Bewertung anzuschauen und anzunehmen. Einfach so. Ohne Bedingung. Denn ich bin, wie ich bin. Gerne darf ich mich verändern. Gerne darf ich mich entwickeln. Und gerne darf ich mich trotz allem lieben. Jetzt – nicht später. Jetzt – nicht irgendwann, wenn … Jetzt! Das lieben, was ich gerade in diesem Augenblick bin.
Zur Selbstliebe gehört für mich alles, auch das, was ich gerade in diesem Augenblick tue oder was sonst zu mir gehört. Liebe ich meine Arbeit? Bin ich mit meinem Herzen bei dem, was ich mache? Liebe ich die Anteile, die ich als Freundin, Partnerin, Mutter … verkörpere? Kann ich mich annehmen in dem, wie ich (auch) bin? Bin ich bereit, mich mit allem, was mich ausmacht, zu zeigen, mein Licht in die Welt zu tragen? Bin ich bereit, meine Einzigkeit anzuerkennen und aus der Beliebigkeit herauszutreten, Farbe zu bekennen – anzuerkennen, dass ich, egal was ich tue oder wer ich bin, bereits geliebt werde? Bin ich bereit zu dienen, mein Möglichstes zu geben, um eine schönere Welt zu kreieren? Bin ich bereit, das Geschenk des Lebens anzunehmen, JA zu sagen und das Geschenk wirklich auszupacken? Denn auch das bedeutet für mich Selbstliebe, das Geschenk des Lebens nicht zu vergeuden.
Und weil es manchmal so schwierig scheint, auf mich selber zu schauen, schaue ich auf meine Gegenüber. Was die alles haben! Hätte ich das auch gerne? Wirklich? Wäre ich auch gerne so? Und … nee, so möchte ich auf keinen Fall sein. Ich schaue, werte, urteile, nehme an oder lehne ab. Und dabei schaue ich nur in meinen persönlichen Spiegel. Ich gehe mit meinem Gegenüber in Resonanz. Und dann wird es leichter. Mitgefühl stellt sich ein. Ich habe das Gefühl, den anderen zu verstehen, nehme ihn vielleicht sogar in die Arme und merke möglicherweise erst später, dass ich mich selber halte. Und so lerne ich, dass es auch ein Du gibt, in dem ich mich allzu oft wiederfinde. Ich spüre, dass ich schwingen kann. Ich kann bei mir sein und auch beim Gegenüber. Und immer wieder finde ich diesen Ort in mir, wo ich mich zentriere, ordne, sortiere, zurücknehme, erkenne, wo ich anfange und aufhöre und wo mein Gegenüber anfängt und aufhört. Ich und Du.
Ich erkenne, dass ich bin und dass mein innerer Ort sicher ist. Es ist ein Ort, an den ich mich jederzeit in Liebe und Ruhe zurückziehen kann. Ein Ort von dem ich weiß, dass nie irgendetwas von mir verloren geht. Ich begreife, dass ich niemals verloren gehe, wenn ich mich voll und ganz auf dich einlasse. Der Weg zum Wir geht über das Ich. Nur das kleine Ich hat Angst, dass es verloren geht, seine Bedeutung oder seinen Ort verliert. Doch wenn es bereit ist, den Schritt ins Herz zu wagen, sich dem Großenganzen anzuvertrauen, hat es wahre Entfaltungsmöglichkeiten, hat die Möglichkeit, aktiv zu gestalten, sich zu entwickeln. Aus tiefstem Herzen versteht es, dass es ohne das Ich kein Wir geben kann.
Wenn du das auch begreifst, können wir gemeinsam etwas kreieren. Dann wird aus Ich und Du ein Wir. Ich schwinge zu dir und du schwingst zu mir und wir finden einen gemeinsamen Rhythmus, der unsere Kraft bündelt. Dann sind wir stark, zentriert, fokussiert und können aus unserer Liebe heraus gemeinsam etwas Neues schaffen.
Die Welt ist eine große Bühne, und jeder einzelne von uns ist ein „Ich“ und wir begegnen diesem „Ich“ als „Du“ im Gegenüber. Und so begegnen wir uns im anderen und spüren, dass wir auf irgendeine Weise verbunden sind. Und wenn wir das verinnerlichen, erleben wir, wie Trennungen sich auflösen.
Heike Kaiser-Blömker